Meinung: Franz-Josefs-Bahnhof nachhaltig oder die Investorenlogik entzaubern

Das Althangrund-Areal und insbesondere der Franz-Josefs-Bahnhof sind seit langem großes Thema im 9. Bezirk.
Das Areal, das früher rein staatlich war (Post, Zentralsparkasse/Länderbank – heute Bank Austria, ÖBB, universitär und polizeilich genutzte Gebäude) unterliegt seit 1987 eine schrittweisen
Privatisierung, die insbesondere seit 2000 (Schwarz-Blau 1) weiter vorangetrieben wurde. Die staatliche Eignentumsstruktur ermöglicht eher eine Einbeziehung der Bevölkerung. Dieser Weg wird durch eine privatisierung tentenziell eher schwieriger und teilweise utopisch. Der private Besitz von Häusern und Grundstücken macht eine Stadtplanung oft abhängig vom Einfluss der Besitzer:innen und erschwert eine Stadtgestaltung ohne Rendite (=Verwetung mit Gewinnabsicht). Die ehemaligen staatlichen Immobilien wurden via der ÖBAG (Österreichische Beteiligungs AG, Verwaltung und Verkauf von staatlichem Eigentum) teilweise oder vollständig veräußert.

Davon sind alle Teile des Althangrund-Areals betroffen. Teile des ehemalig universitär genutzten Areals wurden durch die Immobilienentwicklungsfirma 6B47 ab 2013 umgebaut und verwertet. 70 m2
Wohnfläche und 60 m2 Terrasse können dort beispielsweise für “preiswerte” 700.000€ erstanden werden. Derselbe Investor hat inzwischen den vorderen Teil des Bahnhofs übernommen. Dieser meint
im Profil online dazu: „Der Immobilien-Sektor kann und muss in den kommenden Jahren einen wesentlichen Beitrag in der Nachhaltigkeits- und Ressourcenfrage leisten. Ein erstes Vorzeigebeispiel
gemäß dieser Unternehmensphilosophie wird derzeit mit dem Althan-Quartier im ehemaligen Franz-Josefs-Bahnhof in Wien entwickelt.“ Und weiter: “Beim Althan Quartier – innerstädtisch derzeit eines der größten Wiener Landmark-Projekte – wird unser ganzheitlicher Anspruch in puncto Stadtentwicklung sehr gut sichtbar.
Wir setzen hier gezielt auf eine wichtige Mischnutzung aus Wohnen, Büros, Hotel, Nahversorgern und einem großzügigen Gastronomiekonzept in der Sockelzone.
Die Dimension des Projektes wird nicht nur das Grätzel, sondern den gesamten Bezirk umfangreich und vor allem auch nachhaltig aufwerten.“

Doch was bedeutet das, was der Investor sagt? Nachhaltig und ressourcenbewusst, ein Landmark Project, Mischnutzung, klingt ja alles vielversprechend – und eben nach Werbung.
Denn bei genauerem Hinsehen bleibt kein positiver Effekt für die Menschen mit einer schwächeren Einkommenssituation, die im Bezirk wohnen, über. Nachhaltig müsste ja bedeuten, dass sich ein positiver andauernder Effekt für alle, die in der Umgebung wohnen, ergibt. Dadurch, dass allerdings ausschließlich auf hochpreisige Wohn-, Büro- und Wirtschaftsprojekte gesetzt wird, steigt der Einkommensdurchschnitt generell und somit die verfügbare Kaufkraft in der Umgebung.

Die Dinge werden teurer. Doch das neue Angebot richtet sich meist an jene mit der höchsten Kaufkraft. Schicke Läden, hochpreisige Gastronomie und Hotels bringen keinen sozialen Mehrwert für alle im Bezirk, sondern sind Orte, die nur von denen genutzt werden können, die entsprechend Geld haben. Obdachlose oder andere, die diesem Bild nicht entsprechen, werden im Zuge solcher Entwicklungsprojekte immer weiter ins Off gedrängt. Sie sind aber ebenfalls Bewohner:innen der Stadt und brauchen Platz. Wer schon einmal am Franz-Josefs-Bahnhof war, weiß, dass dies bisher ein Ort war, wo sich Obdachlose treffen, um sich miteinander auszutauschen und wo es sozialarbeiterische Strukturen die ebenfalls vor Ort agieren gibt. Hier droht mit der neuen Nutzung Verdrängung.
Bereits vor vielen Jahren gab es eine große Diskussion darüber, ob und wie das Areal verbaut werden soll. Von Seiten der Stadt und des Bezirks wurde dabei versucht, durch eine neue Widmung eine größere soziale Durchmischung, also nutzung für Menschen mit unterschiedlichen Einkommen, zu erwirken. Der Investor entschied sich schlussendlich zu einer anderen Nutzung, eben zum jetzigen „refurbishment“ (also einer Entkernung und teilweisem Umbau innerhalb der bestehenden Bauklasse). Grundlage dieser Entscheidung dürfte dabei aber nicht die Frage, was ökologischer, sozialer oder allgemein besser für die Nachbarschaft wäre, gewesen sein. Die Entscheidung war vermutlich eine reine Frage des Gewinns. Hochpreisiges Eigentum bringt dem Investor eben mehr als günstige Mietwohnungen.

Es ist ein großes Problem, dass es immer noch zu wenig Regulierungsmittel und Möglichkeiten gibt, eben diese Art des Umgangs mit Raum zu unterbinden. Denn Recht auf Wohnraum und Raum für soziales Miteinander sollten auch in Österreich Grundrechte sein. So gesehen ist die Neugestaltung des Franz-Josefs-Bahnhof bei weitem kein Vorzeigebeispiel, sondern eher ein worst case scenario für den Bezirk, das für gesellschaftliche Rückschritte sorgt. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe…