Als Dank für den enormen Einsatz der Arbeiter_innen während der Pandemie wird das Notquartier in der Gudrunstraße einfach und ersatzlos zugedreht.

Die bevorstehende Schließung des Notquartiers (NQ) in der Favoritener Gudrunstraße ist vor allem schlimm für wohnungslose Männer aber betrifft auch im Sozial-Bereich arbeitende Menschen ungemein. Somit ein doppelt relevantes Thema für diese Mai-Ausgabe. Die Schließung ist auf vielen Ebenen eine absurde Katastrophe. Eine Katastrophe, weil obdachlose Menschen die Sommermonate aufgrund der Pandemie-Situation genauso Bedürfnisse haben wie im Winter. Absurd, weil die Schließung auf nicht fundierten, falschen Aussagen beruht.

Derzeit wird die Gudi in seiner aktuellen Struktur weder von der Stadt Wien noch vom Fonds Soziales Wien (FSW) direkt betrieben. Die Beschäftigten sind stattdessen beim Arbeitersamariterbund (ASB) im Auftrag des FSW angestellt. Ihre Dienstverhältnisse sind befristet, da das NQ immer nur einige Monate im Jahr (im Zuge des Winterpaketes) geöffnet ist. Niemand kommt den Forderungen nach, da sich niemand verantwortlich fühlt. Weder der FSW noch der ASB.

Aufgrund der zunehmenden Corona-Zahlen hat die Stadt Wien jenes „Winterpaket“ für Menschen ohne feste Wohnung ein weiteres Mal (wie schon letzten Sommer) bis 2. August verlängert. Das bedeutet, dass rund 800 Schlafplätze vorerst geöffnet bleiben, welche ursprünglich ausschließlich für die kalte Jahreszeit als Unterbringungsmöglichkeiten gedacht waren und eigentlich von Ende April bis Oktober hätten geschlossen werden sollen. Dass das einzige Zentrum-nahe Quartier für Männer in Wiens einwohner_innenstärksten Bezirk schließen soll, bringt Proteste mit sich. Denn das würde bedeuten, dass ab Ende April rund 70 reguläre und fünf Notbetten wegfallen würden. Zudem kann der FSW zunächst auf die Nachfrage, ob das Quartier kommenden Winter wieder öffnen würde, nicht antworten. Somit stehen die ohnehin prekär angestellten Beschäftigten vor einer unsicheren Zukunft.

Die Belegschaft vermutet, dass die Schließung ab April eine Konsequenz, eine Reaktion auf die Kritik von Seiten der Beschäftigten ist. So wurden Ende Jänner Forderungen der Arbeiter_innen laut, da diese an die Grenzen ihrer Belastung gekommen waren. Zudem veröffentlichte das Team mit der Initiative „Sommerpaket“ einen Artikel über den katastrophalen Umgang mit dem Corona-Cluster in der Einrichtung, wo sich 25 von 70 Nächtigern und 5 Mitarbeitende ansteckten. Danach wurden immerhin 120 zusätzliche Stunden genehmigt, nachdem sie die letzten Jahre immer unterbesetzt gewesen waren. Sowohl der FSW als auch der ASB bestreiten, dass es einen Zusammenhang zwischen den Forderungen und dem Aufbegehren der Belegschaft im Jänner und der Schließung gibt. Ihre Argumentation ist, dass die Gesamtkapazitäten aus dem Winter leicht reduziert würden, da sie schlicht nicht gebraucht würden. Die Räumlichkeiten seien nicht optimal für den Zweck geeignet. Eine Schließung geschehe aufgrund der fehlenden Auslastung. Hier stellt sich allen direkt die Frage, warum man dann keine Verringerung der Bettenzahl vornimmt, dann wäre es auch endlich möglich, Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten und diese Massenquartiere in Zeiten der Pandemie würden keine massive Gesundheitsgefährdung mehr darstellen.

Diese Fragen führten zu Reaktionen von Seiten der Betroffenen. Die Beschäftigten des Notquartiers Gudrunstraße haben sich mit Unterstützung von Gruppen wie der „Initiative Sommerpaket“ und „Sozial aber nicht blöd“ in den vergangenen Monaten immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt. So wurde am 17.03.2021 ein dreistündiger Warnstreik ohne die Unterstützung des ÖGBs, sowie eine öffentliche Betriebsversammlung mit rund 200 Menschen, die sich solidarisch erklärten, abgehalten. Stimmen werden laut, dass der Beschluss des FSW – die ersatzlose Schließung des NQ – als logische Konsequenz zur Überfüllung anderer NQs, zu einer Überbelegung der Betten führen wird.

Ein erster Erfolg: Durch den Streik begannen tatsächlich Gespräche zwischen FSW und dem ASB, nicht jedoch mit den Betroffenen und der Belegschaft. Diese Gespräche ergaben, dass die Gudi tatsächlich renoviert und in der nächsten Saison mit reduzierter Bettenzahl und folglich besserem Schutz wieder geöffnet werden soll.

Doch nach dem Streik ist vor dem Streik. Denn den Forderungen des Teams, eine Sanierung der Einrichtung vorzunehmen und ein Ersatzquartier zur Verfügung zu stellen, wurde bislang nicht nachgekommen. Das Ziel lautet nicht nur, die Schießung der Gudi zu verhindern, sondern auch bessere Bedingungen für die Klient_innen, also ein ganzjähriges qualitätsvolles Angebot für wohnungslose Menschen und Arbeitszeitverkürzung für die Mitarbeiter_innen zugesichert zu bekommen. So sind die Forderungen bei der zweiten Demonstration am 09.04.2021 klar formuliert: Prekariat beenden! Mehr Platz und Betreuung statt weniger! Klarheit durch Transparenz! Repressionsverbot! Finanzielle Entschädigung für Systemerhalter_innen! Viele Stimmen werden hier laut, diverse Redner_innen sprechen, auch wohnungslose Aktivist_innen kommen zu Wort.

Spannend ist bei dieser Thematik auch in die Politik zu blicken. LINKS unterstützt die Proteste, Grün setzt sich für ein ganzjähriges Betreuungsgeld ein. FPÖ und ÖVP haben sich bislang noch nicht geäußert – was vermutlich besser so ist. Die SPÖ bezieht durch die Statements von ihrem Sozialstadtrat Peter Hacker eine klare Haltung. So müssen sich die Demonstrierenden von ihm den Vorwurf anhören, dass diese den Zustand von Betroffenen als Vorwand nehmen, um sich Vorteile für den eigenen Arbeitsvertrag zu schaffen. Zudem ist er sich sicher: Ein ganzjähriges Angebot würde Obdachlosigkeit verfestigen.

Spätestens hier kann man wohl nur noch den Kopf schütteln und solche Aussagen provozieren letztendlich die einzig logische Reaktion der Betroffenen: „Wir zeigen dem FSW und letztlich auch der Politik dahinter die rote Karte.“ Der FSW weigert sich nach wie vor mit den Arbeiter_innen zu sprechen – schade, dass diese Expert_innen nicht zu Wort kommen. Ähnlich wie in der Pandemie, in der sich überarbeitenden Systemerhalter_innen mit kostenlosem Applaus gedankt wird, erhalten in dieser Situation die Arbeitskräfte ebenfalls nur ein Dankesschreiben. Zudem reagieren die Betroffenen mit einem offenen Brief auf Hacker und die Belegschaft spricht konkret eine herzliche Einladung für ein paar Nächte in der Gudi aus. Peter Hacker wird wohl weder dem zweifachen Aufruf auf den Demos zu sprechen und ins Gespräch zu treten noch dieser Einladung nachkommen.

Durch die Aktionen ist den Protestierenden dennoch schon einiges gelungen. Schön zu sehen ist, dass der Arbeiter_innenstreik und ein Bündnis etwas bewirken kann. Eine Verlängerung und Renovierung sind ein Schritt in die richtige Richtung, die Vernetzung von Betroffenen enorm wichtig. Die Petition für den Erhalt der Gudi kann weiterhin unterzeichnet werden.

Die Aktivist_innen, Bewohner_innen und Sozialarbeiter_innen der Wiener Notschlafstelle Gudrunstraße fordern weiterhin:

. Wohnen und medizinische Versorgung muss für alle Menschen gewährleistet werden! 

(Dies ist nicht der Fall, also brauchen wir NQs/ Winterpacket).

. Lückenlose und ganzjährige Grundversorgung für obdach- und wohnungslose Menschen!

. Faire Arbeitsbedingungen und angemessene Entlohnung für Sytemerhalter_innen!