Die Belegschaft des MAN-Werks in Steyr in Oberösterreich hat in einer Urabstimmung am 7./8. April 2021 mehrheitlich gegen den Übertritt in die WSA Beteiligungs-GmbH von Siegfried Wolf gestimmt. Wolf wollte von der aktuell knapp 1.900 Personen zählenden Stammbelegschaft rund 1.250 Leute übernehmen, denen er allerdings eine bis zu 15-prozentige Gehaltskürzung versprach. Mehr als 60 Prozent stimmten gegen dieses Übernahmeangebot. Die MAN-Zentrale in München teilte nach dem Ergebnis mit, dass man nun die Schließungspläne bis 2023 weiterverfolgen werde. „Wir sind vom Ergebnis wirklich sehr enttäuscht“, so MAN-Personalvorstand und Arbeitsdirektor Martin Rabe.

Dass MAN das Werk nun schließen will, ist für die Belegschaftsvertretung noch nicht gegessen: „Als Betriebsrat werden wir morgen beginnen, mit MAN das Gespräch zu suchen“, so der Betriebsratsvorsitzende Helmut Emler unmittelbar nach der erfolgten Auszählung. Die Schließung sei erst für 2023 vorgesehen, die Kunststofflackiererei, wo rund 400 Mitarbeiter_innen beschäftigt sind, hätte sogar bis 2027 weiter für MAN arbeiten sollen. Ziel des Betriebsrates sei eine Lösung wie in Deutschland, wo die ursprünglichen Sparpläne entschärft wurden.

Im Vorjahr war bekannt geworden, dass MAN im Zuge eines Rationalisierungsprogramms tausende Stellen einsparen will. Anfangs war von bis zu 9.500 der weltweit 36.000 Arbeitsplätze die Rede, mittlerweile sollen nur noch 3.500 in Deutschland vernichtet werden. Das Werk in Steyr stand allerdings recht bald „zur Disposition“. Erfolglose Verhandlungen der Belegschaftsvertretung folgten. Der Konzern beharrte weiter auf der Schließung bis 2023 oder einen Verkauf. Ende September kündigte MAN die bestehende Standortgarantie, die den Bestand des Unternehmens in Steyr bis zumindest 2030 hätte sichern sollen.

Ob dem Abstimmungsverhalten der MAN-Belegschaft herrscht allgemeine Aufregung und Unverständnis im Lande. Jetzt könne man sich keine einvernehmliche Lösung mehr vorstellen, der geworfene Fehdehandschuh der Belegschaft (eigentlich sei er nur von den unvernünftigen und zu wenig aufgeklärten Arbeiter_innen geworfen worden) bedeute Krieg. Die Sozialpartner beeilten sich zu erklären, dass hoffentlich noch eine einvernehmliche Lösung, mit wem auch immer, zustande komme. Ein Runder Tisch wird angedacht, an dem auch Siegfried Wolf wieder Platz nehmen soll. Die SPÖ fordert gar eine Staatsbeteiligung, was zu heftigen Reaktionen, aber auch aufschlussreichen Diskussionen führte.

Verstehen wird vorgetäuscht, um sofort anzumerken, dass alles getan werde müsse, um das Geschehene ungeschehen zu machen. Einen von der Belegschaft erwiderten Klassenkampf könne man nicht brauchen. Die mehr als berechtigte Notwehr der Belegschaft wäre nur Öl ins Feuer gießen. Dass MAN der Brandstifter ist und Wolf nur billig abstauben wollte, hat offensichtlich keine Konsequenzen; der so naheliegende Gedanke, dass das MAN-Werk in die Hände der Belegschaft gehöre, selbstredend keinen Platz.

In einem Diskussionsbeitrag in der Tageszeitung Die Presse vom 15.04. werden die Schließungspläne des MAN-Werkes in Steyr als Folge eines klassischen Marktversagens interpretiert. Um dieses Marktversagen auszugleichen sollte die öffentliche Hand einspringen und aus dem MAN-Werk in Steyr einen zukunftsfähigen Standort zu machen. Möglichkeiten und Nachfrage wären vorhanden. Dabei gehe es aber nicht um eine reine Geldspritze. Vielmehr sollte eine Plattform geschaffen werden, auf der all jene Akteure zusammenarbeiten, deren Wissen, Technologie und Fertigkeiten es für nachhaltige Transportsysteme braucht.

Doch der Fall Steyr ist nicht nur eine Konsequenz eines klassischen Marktversagens, sondern vielmehr die Folge des ganz normalen kapitalistischen Wahnsinns: des Zwanges zur Profitmaximierung, zum Konkurrenzkampf, zum Wachstum und einer Marktwirtschaft, die letztendlich den Rahmen dafür abgibt. Die Kapitalseite in Person des Siegfried Wolf und der MAN-Bosse formuliert ohne Skrupel ihre Konzepte; die Sozialdemokratie und ihr Umfeld spielt mit ihrer Staatsbeteiligung wieder einmal mehr Arzt am vermeintlichem Krankenbett des Kapitals und in all diesen Konzepten sind die Menschen, die bei MAN arbeiten (müssen) nur Manövriermasse. Es braucht tatsächlich eine Plattform, auf der all jene Akteure zusammenarbeiten, deren Wissen, Technologie und Fertigkeiten es für nachhaltige Transportsysteme braucht. Und es braucht dazu einer demokratischen Plattform, in der die Belegschaft des MAN-Werkes in Steyr das letzte Wort hat. Den sogenannten Sachzwängen einer in Wirklichkeit diktatorischen Marktwirtschaft sollten hier nicht nachgegeben werden, vielmehr sollten antikapitalistische Ausweg aus einer vom Kapital verschuldeten Misere gesucht werden.

Aber davon sind wir noch weit, vielleicht zu weit, entfernt. Die Widerstände, die eine solche Entwicklung zu verhindern suchen, sind groß. Die Belegschaft hat jetzt erste wichtige Akzente gesetzt, sie hat die Gegenseite offensichtlich überrascht und sie hat tatsächliche Macht ausgeübt und die Kapitalisten und Managern spüren lassen, was es heißt, Angst zu haben. Die Angst muss die Seite wechseln und in den Chefetagen Einzug halten. Der erste Schritt hierfür ist getan. Weitere sollten Folgen. Wir unsererseits können versprechen die MAN-Belegschaft bestmöglich in all ihren Bemühungen zu unterstützen. Keine Atempause. Geschichte wird gemacht. Das MAN-Werk in die Hände der Belegschaft!